„Die Schlüsselsignale von Pflanzen bei Wasserstress aufdecken“

„Die Schlüsselsignale von Pflanzen bei Wasserstress aufdecken“

Christine Ziegler

Beruf:
promovierte Biophysikerin und Strukturbiologin

Position:
Leiterin des Lehrstuhls Biophysik II und Direktorin am neuen Regensburger Zentrum für Ultraschnelle Nanoskopie der Universität Regensburg (RUN)

 

Biophysikerin Prof. Dr. Christine Ziegler
Vorname
Christine
Nachname
Ziegler

Beruf:
promovierte Biophysikerin und Strukturbiologin

Position:
Leiterin des Lehrstuhls Biophysik II und Direktorin am neuen Regensburger Zentrum für Ultraschnelle Nanoskopie der Universität Regensburg (RUN)

 

Biophysikerin Prof. Dr. Christine Ziegler

Christine Ziegler erforscht, wie Pflanzen Wasserstress wahrnehmen und welche Mechanismen dem zugrunde liegen. Dafür wurde die Biophysikerin 2023 vom Europäischen Forschungsrat mit dem Synergy Grant ausgezeichnet.

Pflanzen brauchen Wasser zum Überleben. Doch der Klimawandel lässt das kostbare Gut knapp werden und stellt die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Doch wie nehmen Pflanzen Wassermangel wahr und welche molekularen Mechanismen liegen dem zugrunde? Diesen Fragen geht Christine Ziegler in ihrer Forschungsarbeit nach. Im Rahmen des Projektes HYDROSENSING sucht die Biophysikerin der Universität Regensburg Antworten auf diese grundlegenden Fragen. Für das auf sechs Jahre angelegte Projekt stellt der Europäische Forschungsrat (ERC) 10 Mio. Euro in einem sogenannten Synergy Grant bereit.

Frage

Worum geht es im Projekt HYDROSENSING und welches Ziel verfolgt das Projekt?

Antwort

Im Projekt HYDROSENSING wird erforscht, wie Pflanzen Wasserstress wahrnehmen und welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen. Letztendlich streben wir mit unserem interdisziplinären Forschungsvorhaben an, ein potenziell universelles Design-Konzept zu entschlüsseln, welches uns in Zukunft ermöglichen könnte, Wasserstress in Pflanzen effizient entgegenzuwirken. Das Ziel des Projekts ist es also, eine sehr grundlegende Lücke im wissenschaftlichen Verständnis zu schließen, um so die Entwicklung klimaresistenter Nutzpflanzen zu unterstützen und die globale Ernährungssicherheit zu stärken.

Frage

Warum ist es so wichtig zu verstehen, wie Pflanzen Wasserstress aufnehmen?

Antwort

Wasser ist für das Leben auf der Erde unverzichtbar. Pflanzen benötigen Wasser für lebenswichtige Funktionen wie Photosynthese, Nährstoffaufnahme, Wachstum und Entwicklung. Wassermangel ist aufgrund des Klimawandels ein zunehmendes Problem in der globalen Landwirtschaft. Europa hat beispielsweise im Jahr 2022 die volle Wucht des Wasserstresses erlebt, mit verheerenden Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Trotz der enormen Bedeutung von Wasser ist bisher nicht bekannt, wie Pflanzen seine Verfügbarkeit wahrnehmen ("Hydrosensing"), doch dieses Wissen bildet die Grundlage für die Entwicklung klimaresistenter Pflanzen. Erst wenn die Kernmechanismen für die Sensorik von Wassermangel in Pflanzen identifiziert und verstanden sind, kann auch die Entwicklung klimaresistenter Nutzpflanzen nachhaltig vorangetrieben werden.

Frage

Welche Rolle spielen die Wurzeln bei der Bewältigung von Wasserstress?

Antwort

Studien unseres ERC-Synergie-Teams haben gezeigt, dass die Bewegung des Wassermangelhormons Abscisinsäure (ABA) von den vaskulären Geweben hin zu den äußeren Zielgeweben einen zentralen Signalmechanismus bei Wassermangel in Wurzel und Spross darstellt. Wir vermuten, dass dieser spezialisierte Zelltyp Wasserstress-induzierte Veränderungen im hydraulischen Fluss über Störungen im Plasmamembran-Zellwand-Kontakt wahrnimmt, welche die Freisetzung von ABA kontrollieren. Die Untersuchung, wie diese Wasserstressreaktionen die ABA-Bewegung von inneren zu äußeren Geweben steuern, ist gerade in Wurzeln sehr elegant durchzuführen, denn Wassermangel unterdrückt ihre laterale Verzweigung. Auf diesem Wege können in Wurzeln genetische Veränderungen durch Mutationen phänotypisch schnell und eindeutig untersucht werden.

Frage

Welche Methoden und Verfahren kommen zum Einsatz, um den grundlegenden Mechanismus von Wasserstress bei Pflanzen aufzudecken?

Antwort

Wir verfolgen einen interdisziplinären, multi-skaligen Forschungsansatz. Wir nutzen neuartige Technologien wie Stimulierte Raman-Streuung (SRS), Brillouin-Mikroskopie und innovative Biosensoren, um zu zeigen, wie Wassermangel hydraulische Flüsse beeinflusst. Die fehlenden Komponenten im molekularen Mechanismus der Wasser-Sensorik werden mittels eines innovativen multi-zielgerichteten CRISPR-Ansatzes identifiziert, der entwickelt wurde, um genetische Redundanz zu überwinden. In Kombination mit hochauflösender Kryo-Elektronenmikroskopie werden wir dann einen integralen Wasser-Sensorik-Mechanismus für Wurzel- und Sprossgewebe formulieren, der von der molekularen bis zur makroskopischen Ebene reichen und die Konservierung gemeinsamer Konstruktionsprinzipien über das Pflanzenreich hinweg etablieren soll.

Frage

Welche Aufgabe übernehmen Sie im Rahmen des interdisziplinären Vorhabens?

Antwort

Meine Arbeitsgruppe untersucht die Regulation von Transportmechanismen über die Plasmamembran. Dazu bestimmen wir atomare Strukturen von Membranproteinen wie Sekundärtransportern und Kanälen in unterschiedlichen funktionellen Zuständen mithilfe der kryo-elektronenmikroskopischen Einzelteilchen-Analyse. Wir werden im HYDROSENSING-Projekt die Wechselwirkung von Plasmamembran-Proteinen und Zellwand-Kinasen strukturell und funktionell untersuchen, um so einen molekularen Mechanismus der hydraulischen Regulation und ABA-Signalgebung in Pflanzen aufzudecken.

Frage

Wie kann das Wissen um die molekularen Abläufe helfen, Pflanzen für den Klimawandel fit zu machen und damit die Ernährung der Zukunft zu sichern?

Antwort

Wir werden erforschen, inwieweit die Schlüsselsignale und molekularen Komponenten auch in Nutzpflanzen konserviert sind. Das neue Wissen über den Kernmechanismus der Wasser-Sensorik wird mithilfe von meta-genomischen und strukturellen Modellierungsansätzen auf eine Vielzahl von Pflanzenarten übertragen, um so neue Targets für die Pflanzenzüchtung aufzuzeigen. Dabei werden wir eng mit internationalen Pflanzenzüchtungsprogrammen zusammenarbeiten. Zudem wird das HYDROSENSING-Projekt neue Technologien entwickeln. Zum Beispiel wird der multifunktionale CRISPR-Ansatz Züchtern trotz der hohen genetischen Redundanz in Pflanzen ein sicheres Auswahlverfahren zur Verfügung stellen, welches es in Zukunft ermöglicht, die Wasserstressresistenz in Nutzpflanzen gezielt und signifikant zu verbessern.

Interview: Beatrix Boldt